Presse-Informationen
c't

  1. heise group
  2. Presse-Informationen
  3. c't

Lauschverordnung nach c't-Bericht gestoppt
Wirtschaftsministerium erfährt eigene Pläne aus der Presse

Hannover, 19. Juni 1998 - Internet-Provider müssen vorerst keine Technik zur Überwachung ihrer Kunden bereitstellen. Aufgeschreckt von Presseberichten hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) einen entsprechenden Erlaß gestoppt, berichtet das Computermagazin c't in seiner aktuellen Ausgabe 13/98. Mit der Verabschiedung ist vor den Wahlen nicht mehr zu rechnen.

Nach c't-Informationen hatte eine vom Postministerium übernommene Arbeitsgruppe den Entwurf der Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) erarbeitet, ohne die neuen Vorgesetzten im BMWi zu informieren. Erst durch einen c't-Bericht erfuhren sie im Mai vom Stand der Dinge und den dramatischen Auswirkungen auf die junge deutsche Internet-Infrastruktur. Dem letzten Entwurf zufolge hätten Diensteanbieter auf eigene Kosten Abhörschnittstellen installieren müssen; nach vorsichtigen Schätzungen für mindestens 15.000 bis 50.000 Mark. Stimmen aus dem BMWi und der Industrie erwarten im Mittel sogar sechsstellige Beträge.

Eine für Mitte Juni geplante letzte Anhörung ausgewählter Industrievertreter sagte das BMWi kurzfristig ab. Nun will man im Juli die Diskussion im großen Kreis erneut beginnen und betroffene Verbände von Industrie, Handel, Banken und Versicherungen sowie Internet-Service-Provider, Datenschützer und Juristen zu Wort kommen lassen. Sollte sich herausstellen, daß Nutzen und Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, müßte das Justizministerium die Verfassungsmäßigkeit der Verordnung neu bewerten. Konzentrationsprozesse bei den Internet-Dienstleistern, die aus der für kleinere Anbieter untragbar teuren Abhörtechnik folgen könnten, seien keinesfalls erwünscht, hieß es aus Ministeriumskreisen.

Für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh: Vor kurzem wurde die Erweiterung einer technischen Richtlinie zur Fernmeldeüberwachungsverordnung angekündigt. Damit könnten die Überwachungs-Hardliner sogar ohne Kabinettsbeschluß Zugriff auf das Internet erlangen.