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Dank Elektroden im Gehirn weg von der Sucht
Technology Review über Behandlungsmethode bei Alkoholabhängigkeit

Hannover, 28. Oktober 2010 – Mittels „tiefer Hirnstimulation“, einer Behandlungsmethode für Parkinson-Betroffene, konnten ersten Ergebnissen zufolge auch mehrere Patienten von ihrer Alkoholabhängigkeit befreit werden. Die Impulse der im Gehirn eingepflanzten Elektroden überschreiben wahrscheinlich das Suchtgedächtnis. Der Erkrankte verspürt kein unkontrollierbares Verlangen nach Alkohol mehr, schreibt das Magazin Technology Review in seiner aktuellen November-Ausgabe.

Neurochirurg Volker Sturm von der Universitätsklinik Köln hat einem 54-jährigen Patienten mit Angsterkrankung, Depressionen und Alkoholismus Elektroden in einen vorab berechneten Gehirnbereich implantiert. Die Angsterkrankung hielt der Kölner Arzt für das Kernproblem des Patienten, das den Alkoholismus mitverursachte. Über ein Kabel verband Volker Sturm die Elektroden mit einem zuvor unterhalb der Schulter eingepflanzten Stimulator. Dort werden die Strompulse erzeugt, die ähnlich einem Herzschrittmacher wirken und bei dem Patienten die Aktivität des „Nucleus accumbens“ regulierten sollen. Dieser etwa fünf Millimeter große Haufen von spezialisierten Nervenzellen ist mitverantwortlich für emotionale Lernprozesse und liegt im Vorderhirn. Die Angsterkrankung blieb, aber der Patient trank nach dem Eingriff nicht mehr als ein oder zwei Gläser Alkohol.

Offensichtlich hat die Elektrodenstimulation auf das Suchtgedächnis gewirkt, das bislang kein Medikament löschen konnte. Es bleibt auch bei trockenen Alkoholikern bestehen und treibt sie schon nach wenigen Schlucken in die erneute Abhängigkeit. Die hochfrequenten Impulse der Elektroden „überschreiben“ wahrscheinlich fehlgesteuerte Entladungen von Nervenzellen, die das Verlangen nach dem nächsten Schluck auslösen. Auch Jürgen Voges von der Universitätsklinik Magdeburg kann auf Erfolge verweisen: Sieben von acht schwerstabhängigen Alkoholikern wurden durch die Elektrodenstimulation trocken. Die Ärzte warnen allerdings vor zu hohen Erwartungen: Eine kontrollierte medizinische Studie mit mehr Patienten steht noch aus.

Bislang wurden vor allem Patienten mit Parkinson-Syndrom und anderen Bewegungsstörungen mit tiefer Hirnstimulation behandelt.