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Deutsche Bahn kämpft gegen Verspätungen
Technology Review über Ursachen für unpünktliche Züge

Hannover, 21. Dezember 2004 - Seit Jahren kämpft die Bahn gegen Unpünktlichkeit und investiert viel Geld in ihr Qualitätsmanagement - bislang mit wenig Erfolg. Ein ausgefeiltes Computersystem könnte jetzt die Fahrpläne robuster machen und im Störungsfall schnell Ausweichmöglichkeiten vorschlagen. Das berichtet das Technologiemagazin Technology Review in der aktuellen Ausgabe 1/05.

Anfang September gestand Bahn-Chef Hartmut Mehdorn auf einem Nahverkehrsforum in der Schweiz: "Wir hatten 36 Projekte zur Verbesserung der Pünktlichkeit, aber besser wurde es nicht." Und so verärgerte die Deutsche Bahn auch 2004, im vom DB-Boss ausgerufenen "Jahr der Pünktlichkeit", ihre Fahrgäste immer wieder mit Verspätungen. Trotz günstiger Witterung erreichten beispielsweise im August 2004 nur 82 Prozent der Züge mit weniger als fünf Minuten Verspätung ihr Ziel. Rechnet man diese Pünktlichkeitsquote aufs Jahr hoch, kämen etwa zwei Millionen Züge zu spät. Wie schlimm es wirklich aussieht, erfährt man nicht: Genaue Angaben über die Pünktlichkeit macht die Bahn nur in Ausnahmefällen.

Das Problembewusstsein ist vorhanden. Jahr für Jahr gibt die Bahn Milliardenbeträge für die Sanierung ihres Streckennetzes aus. Doch nennenswerte Teile des Systems Bahn sind in Deutschland schlichtweg anachronistisch: Zum informationstechnischen Inventar gehört der "intelligente Zug", der dank GPS-Satellitenortung Verspätungen automatisch und just in time der Leitstelle meldet ebenso wie der lochkartengesteuerte Fallblatt-Zugziel-Anzeiger. Die Ablösung des überalterten analogen Betriebsfunks durch halbwegs zeitgemäße GSM-Funktechnik zieht sich seit fünf Jahren hin.

Ein Forschungsprojekt könnte jetzt dazu beitragen, dass in Zukunft die Fahrpläne besser werden und der Umgang mit überraschenden Störungen effizienter wird: Das Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik hat ein Computersystem entwickelt, das die Netzinfrastruktur und die Fahrzeiten der Züge in Software abbildet - und zwar "metergenau ohne Abstraktionen", wie Projektleiter Dirk Matzke sagt. Darauf lässt sich der Zugverkehr im voraus simulieren und überprüfen, ob ein Fahrplan mit seinen Tausenden von Verästelungen und Interdependenzen im Betrieb hält, was er verspricht. Und das System eignet sich laut Matzke auch dazu, bei Störungen schnell konfliktfreie Ausweichmöglichkeiten vorzuschlagen - möglicherweise von hohem Wert für die Bahn, die bisweilen den Eindruck erweckt, beim Management von unvorgesehenen Ereignissen überfordert zu sein. Ob sie sich des neuen Software-Werkzeuges bedienen wird, lässt Matzke allerdings offen. (sam)