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Familienplanung ohne biologische Zwänge
Technology Review über Reproduktionsmedizin

Hannover, 27. Juli 2005 - Heutzutage ermöglicht moderne Reproduktionsmedizin Kinderglück auch weit nach dem vierzigsten Lebensjahr. Mediziner stoßen das alte Dogma um, nach dem die Eizellenproduktion bei Frauen zeitlich begrenzt ist. Somit wäre ein Verschieben der Menopause denkbar, schreibt das Technologiemagazin Technology Review in der Ausgabe 8/2005.

1,6 Millionen Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos, eine häufige Ursache ist das fortgeschrittene Alter. Denn durch Emanzipation im Berufsleben und Freiheit in der Partnerwahl versäumen es Frauen heute immer häufiger, in ihren fruchtbaren Jahren eine Familie zu gründen. Das Einfrieren von Eizellen für Empfängnis weit nach dem vierzigsten Lebensjahr ist eine Form des modernen "Fruchtbarkeitsmanagements" ohne biologische Uhr.

An einer wahren Revolution der Reproduktionsmedizin arbeitet eine Gruppe um den Mediziner Jonathan Tilly von der Harvard Medical School in Boston. Er erzeugte eine genetisch veränderte Maus, der das für das Absterben der Eizellen notwendige Gen Bax fehlte: Ohne Bax hatten die Mäuse von Geburt an dreimal so viele Eizellen wie ihre wilden Verwandten und behielten diese Fülle bis ins für Mäuse hohe Alter von 22 Monaten. Sie wurden zwar in Gesellschaft von jungen männlichen Tieren nicht trächtig, konnten aber fruchtbare Eizellen für die Reagenzglaszeugung liefern. Damit hatte der Wissenschaftler gezeigt, dass die Menopause bei Säugetieren prinzipiell reguliert werden kann.

Im März vergangenen Jahres sorgte Jonathan Tilly erneut für Schlagzeilen: Im Eierstock von Mäusen fand er Stammzellen, die ständig neue Keimzellen produzieren. Damit erschütterte er das Dogma, nach dem der Vorrat an Eizellen bei weiblichen Säugetieren begrenzt sei. Noch sind allerdings nicht alle Experten von seinen Ergebnissen und seiner These, dass auch bei Frauen die Eizellenproduktion unbegrenzt verläuft, überzeugt.

Es wäre nicht das erste Mal, dass technologischer Fortschritt das menschliche Fortpflanzungsverhalten dramatisch verändert. So könnte eine späte Mutterschaft vielleicht dem drastischen Rückgang der Geburtenraten entgegensteuern und dadurch gesellschaftliche Anerkennung gewinnen. Frauen hätten mehr Chancengleichheit im Beruf und auch für Männer würden sich neue Freiheiten eröffnen. Sie könnten sich gemeinsam mit ihrer gleichaltrigen Partnerin für eine spätere Elternschaft entscheiden.

Die italienische Fortpflanzungsmedizinerin Eleonora Porcu sieht die eigentlichen Probleme fürs Mutterwerden jedoch ganz woanders: "Wir brauchen keine Techniken, mit denen alte Frauen schwanger werden. Wir brauchen eine Gesellschaft, die Frauen die Schwangerschaft in jungen Jahren ermöglicht."