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Kratzer am Mythos von Ferdinand Porsche?
Technology Review rollt Geschichte vom VW-Käfer neu auf

Hannover, 25. Oktober 2005 - Noch ist der Mythos ungebrochen, Ferdinand Porsche gilt als der geniale Konstrukteur des VW Käfers. Das Technologiemagazin Technology Review rollt die Geschichte des deutschen Kleinwagens auf Grundlage bisher unbeachteter Dokumente aber neu auf und beschreibt einen verkannten Teil der VW-Historie: Als wahrer Erfinder des Käfers sah sich der jüdische Ingenieur Josef Ganz, eine echte Anerkennung durch VW blieb ihm aber sein Leben lang verwehrt.

Josef Ganz hat wesentliche Vorarbeiten für den Käfer geleistet. Seine Konstruktion von 1930 hatte große Ähnlichkeiten mit dem späteren Erfolgsmodell. Kernstück war ein neuartiges Kleinwagen-Konzept mit Heckmotor, Zentralrohrrahmen und Einzelradaufhängung.

Doch als in Ungarn geborener Jude geriet Josef Ganz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland unter Druck. Erst Immigrierte er in die Schweiz, um später nach Australien auszuwandern. Nach dem Krieg wies Josef Ganz darauf hin, dass seine Konstruktion als Grundlage für die Entwicklung des Käfers durch Ferdinand Porsche diente.

Obwohl etwa die Aufarbeitung der Zwangsarbeiterbeschäftigung im Dritten Reich durch VW viel Anerkennung findet, fehlt jeglicher Hinweis, dass sich der Konzern jemals näher mit Ganz' Anteil an der Käfer-Geschichte beschäftigt hat. Er stellte als verfolgter Jude auch Rückerstattungsansprüche, aber die Verfahren verliefen im Sande. Stattdessen wollte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Canberra Josef Ganz, mittlerweile australischer Staatsbürger, 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse auszeichnen: "In seiner Eigenschaft als Chefredakteur des Magazins Motor-Kritik zwischen 1928 und 1934 entwickelte Herr Ganz ausgeprägtes Interesse an der Entwicklung eines deutschen Volkswagens und trug, zusammen mit anderen Ingenieuren wie Professor Porsche, in hohem Ausmaß zur Realisierung dieses Projektes bei. Weiter hat er durch seine Idee, Heckmotoren zu verwenden, Mittelrohrrahmen und Schwingachsenaufhängungen, die deutsche Automobilindustrie in hohem Maße vorangebracht." Die strengen australischen Auflagen zu ausländischen Auszeichnungen verhinderten eine Würdigung. Wahrscheinlich wusste Ganz nichts von der geplanten Ehrung, als er 1967 im Alter von 68 Jahren an einem Herzanfall starb.

Erst 40 Jahre später überlassen die Nachfahren von Josef Ganz seine gesammelten Dokumente dem Niederländer Paul Schilperoord, der die Geschichte des jüdischen Auto-Konstrukteurs für die aktuelle Ausgabe von Technology Review aufgearbeitet hat.