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Überwachungstechnologien ohne Kontrolle
Telepolis veröffentlicht online internes EU-Papier

Hannover/München, 6. Februar 1998 - Telepolis, das Magazin der Netzkultur, veröffentlicht online ein Arbeitspapier der EU, das die aktuellen und zu erwartenden Entwicklungen im Bereich der Überwachungstechnologien vorstellt. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, um eine demokratische Kontrolle in der EU zu gewährleisten.

Das Dokument wurde von Steve Wright für STOA (Scientific and Technological Options Assessment) angefertigt und am 6. Januar 1998 unter der Nummer PE 166 499 vom Europäischen Parlament veröffentlicht. Zweck des umfassenden Dokuments ist, Empfehlungen zu geben, wie Einsatz und Forschung von Überwachungstechnologien politisch reguliert werden sollten.

Thema des Papiers sind die Entwicklungen im Bereich technischer und elektronischer Mittel zur politischen Kontrolle, insbesondere Überwachungs- und Identifizierungstechnologien. Die Spanne reicht von Sammlung und Speicherung von Daten über nicht-tödliche Waffen bis zu Technologien für Gefängnisse, Exekution und Folter.

Die Einführung der neuen Technologien geschehe meist schleichend und unter Gesichtspunkten der Effizienz, der Kostenersparnis und der Modernisierung. Dabei werde geglaubt oder vorgegeben, nur so die Freiheit und Sicherheit in den westlichen Demokratien garantieren zu können. So wird auch der Export der Techniken in andere Länder legitimiert. Wie gegenwärtig beim Lauschangriff in der BRD werden immer nur einzelne Maßnahmen politisch diskutiert.

Die Risiken solcher Technologien entfalten sich oft schneller als jede regulierende Rechtsprechung. Der Autor fordert daher, daß die EU "angemessene Strukturen der Verantwortung schaffen soll, die unerwünschte Entwicklungen verhindern, die durch schleichende technologische Prozesse oder Entscheidungsveränderungen entstehen." Der Innovationsprozeß solcher Technologien sollte in aller Transparenz erfolgen und der Öffentlichkeit unterbreitet werden. Jede Technologie, die in ihren Wirkungen grausam, inhuman oder diskriminierend ist, sollte strengen und demokratischen Kontrollen unterworfen werden.

Der Autor verweist insbesondere auf bestehende und künftige Möglichkeiten zur Überwachung der globalen Kommunikation. Als äußerst bedenkliche Entwicklung betrachtet er das ECHELON-System, das zur Überwachung jeglicher Kommunikation über Satellit dient. Telefonanrufe, Emails, Faxe oder Telex werden abgehört und mittels KI-Systemen gefiltert. Ein weiterer Schritt seien die Bestrebungen vieler Regierungen, eine starke Verschlüsselung der Internetkommunikation zu verhindern und Provider dazu zu verpflichten, Behörden jederzeit Zugang zu verschaffen. Dies werde zu wenig oder gar nicht in der EU diskutiert.

Telepolis hat das brisante STOA-Dokument "An Appraisal of Technologies of Political Control" unter der URL www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1393/1.html online auf englisch veröffentlicht.

Ihr Ansprechpartner für Rückfragen
Florian Rötzer (Redaktion Telepolis)
Telefon: 089/42 71 86-0
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